– meint der Strafrechtler Klaus Günther
K. Günther, Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozeßrecht, hält es für überflüssig zu definieren, was Schuld sei. Eine solche positive Begriffsbestimmung sei deshalb nicht notwendig, da man in der Strafrechtspraxis auch ohne eine solche auskomme. Es genüge zu wissen, wann Schuld auszuschließen sei, nämlich immer dann, wenn keine Ausnahmetatbestände nach 20, 21 STGB vorliegen. Das erinnert an den Ausspruch des ehemaligen Richters am Obersten Gerichtshof Potter Stewart, der zur Schwierigkeit der Bestimmung, was Pornographie sei und was nicht gemeint hatte : „I know it when I see it.“
„Wenn keiner dieser Ausnahmetatbestände vorliegt, dann wird die Schuld des Täters angenommen. So verfährt auch die gerichtliche Praxis: nur wenn es Anlass gibt, an der Schuld des Angeklagten aus einem in den Ausnahmetatbeständen genannten Gründen zu zweifeln, werden zum Beispiel psychiatrische Sachverständige befragt, ob eine schwerwiegende psychische Erkrankung vorliegt, welche die Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat ausgeschlossen haben könnte.
Kategorienfehler
„Wenn einer der genannten Ausnahmegründe nicht vorliegt, handelt es sich offenbar um einen „normalen“ Menschen, der über die Fähigkeit zu normativer Einsicht in Gründe sowie über durchschnittliche Fähigkeiten der Selbstkontrolle und Selbststeuerung verfügt.
Diese Normalitätsunterstellung lässt sich verschieden interpretieren – und diese Interpretationen sind jeweils vom Zeitgeist und den gesellschaftlichen Verhältnissen mitbestimmt. Wann kann sich jemand noch „zusammennehmen“ – und wann gestehen wir jemandem zu, dass er psychisch so stark belastet oder in seinen Handlungsalternativen beschränkt ist oder, dass jemand unter so extremen Umständen gehandelt hat, dass wir ihm eine Entlastung vom Schuldvorwurf gewähren.“
Auffallend an dieser Einschätzung Günthers ist, dass die „Fähigkeit der Selbstkontrolle und Selbststeuerung“ offensichtlich synonym im Sinne der Möglichkeit einer “ freien“ Willens-Steuerung des Verhaltens bzw. der impliziten Annahme, es gäbe eine solche verwendet wird. Dies ist ein glatter Kategorienfehler, der im übrigen auch dem Neurowissenschaftler Gerhard Roth immer wieder unterläuft.