Illusion Willensfreiheit

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Sabine Hossenfelder: You don’t have a free will, but dont’t worry

Transkription: „Der freie Wille als die Idee, dass es in diesem gegenwärtigen Moment verschiedene Zukünfte geben kann und dass Ihr freier Wille eine Rolle darin spielt, welche der möglichen Zukünfte Realität wird. Dies ist nach meiner Ansicht die Art, in der die meisten von uns intuitiv über den freien Willen denken, da dies mit unserer Erfahrung übereinstimmt, wie die Welt zu funktionieren scheint.

Aber was stimmt nicht mit dieser intuitiven Idee, dass wir auf irgendeine Art fähig wären, unter verschiedenen Zukünften wählen zu können?

Alle Naturgesetze haben die gemeinsame Eigenschaft, dass Sie, wenn zu Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt den spezifischen Anfangszustand kennen, z.B. die exakten Details der Teilchen in Ihrem Gehirn sowie den gesamten Input, den Ihr Gehirn in diesem Moment erhält, dann können Sie aus diesen Anfangsbedingungen berechnen, was zu jedem anderen Zeitpunkt passiert.

Auf den Punkt gebracht bedeutet dies, dass die ganze Geschichte des Universums und jedes einzelne Detail bereits beim Urknall festgelegt wurde. Wir schauen nur zu, wie es sich abspielt.

Diese deterministischen Naturgesetze gelten für Sie und Ihr Gehirn, da Sie aus Teilchen bestehen und was mit Ihnen passiert, ist eine Folge dessen, was mit diesen Teilchen passiert.

Viele Menschen nennen dies „Materialismus“ oder „Reduktionismus“ und denken dann, dass, indem sie dieser Tatsache eine Bezeichnung gegeben haben, welche auf „- ism“ endet, sie dadurch entschuldigt seien, nicht daran glauben zu müssen. Natürlich, wenn Sie darauf bestehen, nicht an den Reduktionismus glauben zu wollen, geht das in Ordnung. Aber es handelt sich dann letztlich um die Leugnung von wissenschaftlicher Evidenz. Wir nehmen nicht an, dass Gehirne aus Teilchen gemacht sind, wir wissen es. Wir nehmen nicht an, wir wissen, dass wir aus diesem Gesetz aus den einzelnen Teilen ableiten können, was das ganze Objekt macht. Wenn Sie das Gegenteil behaupten, widersprechen Sie der etablierten Wissenschaft. Ich kann Sie nicht davon abhalten, wissenschaftliche Evidenz zu verneinen, aber so werden Sie niemals verstehen, wie das Universum tatsächlich funktioniert.

Das Problem mit dem freien Willen ist, dass gemäß den uns bekannten Naturgesetzen, die den Menschen auf fundamentaler Ebene beschreiben, die Zukunft von der Gegenwart bestimmt wird.

Harroganz – when Halbwissen meets Arroganz

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Philosophen, die der Meinung sind, das Thema Willensfreiheit sei vor allem ihr Metier und noch vor Neurologen oder anderen Naturwissenschaftlern sei es an ihnen, Aussagen über die Existenz oder Nichtexistenz des freien Willens zu treffen,  hat man ja schon einige kennen lernen dürfen. Es zeigte sich dann wiederholt, dass die selbstgewisse Proklamation fachlicher Zuständigkeit sich oftmals umgekehrt proportional zu dem von den Philosophen gezeigten Verständnis wissenschaftlicher Zusammenhänge verhielt, knowledge gaps everywhere; man ist also schon einiges gewohnt.

Das Ausmaß an Herablassung bei gleichzeitiger Ahnungslosigkeit zum Thema selbst, das Thomas Metzinger in einem Interview auf Telepolis offenbart, ergibt dann aber doch noch mal eine besondere Qualität und würde es die Metapher vom Elfenbeinturm nicht geben, man müsste sie aus Anlass von Metzingers Äußerungen neu erfinden.

„Selbstgefällige ältere Herren“

Befragt zu den verschiedenen Positionen,  die es in der Debatte um die Willensfreiheit gibt, behauptet Metzinger, es gäbe diese Parteien gar nicht, stattdessen aber:

“ Was es gibt, sind selbstgefällige ältere Herren, die etwas über 30 Jahre alte Experimente von Benjamin Libet aufgeschnappt haben und sich im Feuilleton konservativer Tageszeitungen lächerlich machen. Es gibt auch einige wenige Vertreter der Hirnforschung, die die Feinheiten der philosophischen Willensfreiheitsdebatte nicht kennen …und dem öffentlichen Ruf ihrer eigenen akademischen Disziplin schaden.“

Wer die selbstgefälligen älteren Herren sind, und weshalb sie sich lächerlich gemacht und welche Hirnforscher warum dem Ruf ihrer akademischen Disziplin geschadet haben – man erfährt es nicht; zu allem schweigt Herr Metzinger vornehm, so wie er sich auch über Jahre zur Debatte um den freien Willen ausschweigen musste:   „Ich bin wirklich froh, dass ich die innere Disziplin aufgebracht habe, die so genannte „Willensfreiheitsdebatte“ über die letzten Jahre zu boykottieren“.

TOO BIG TO BE DISCUSSED 

Herrn Metzinger treibt zudem noch ein ganz besonderes Problem um, das sich häufig einstellt, wenn man im Elfenbeinturm wohnt: (mehr …)

Der Zustand der Welt – warum es Willensfreiheit nicht geben kann

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Eine elegante und zugleich präzise Begründung über die Unmöglichkeit der Willensfreiheit in einer – abgesehen von Quanteneffekten – vollständig kausal bedingten Welt, findet sich auf dem Blog von Martin Bäker:

Jede Entscheidung, die ich treffe, ist durch den Zustand der Welt zu Beginn des Entscheidungsprozesses determiniert.

Es ist nach diesem Standpunkt also nicht denkbar, dass ich mich auch hätte anders entscheiden können.

 

Martin Bäker: Hier-wohnen-Drachen-Warum ich das Problem nicht verstehe

 

Point of no return – warum das Veto-Experiment nichts über die Existenz eines freien Willens aussagt

 

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„Unser Wille ist freier als angenommen“ – so konnte man es im Januar 2016 in den Headlines zahlreicher Medien [1] lesen, die über das sogenannte Veto-Experiment berichteten, das 2015 unter der Leitung von John-Dylan Haynes vom Bernstein Center for Computational Neuroscience der Charité  in Zusammenarbeit mit Benjamin Blankertz und Matthias Schultze-Kraft von der Technischen Universität Berlin durchgeführt wurde.  

Ausgangspunkt für die fast immer gleichen Schlagzeilen war offensichtlich der Teaser auf der Website der Charité , in welchem im Dezember 2015 zuerst die Formulierung auftauchte von dem „Willen, der freier sei als angenommen“, eine Folgerung, die sich aus den Resultaten des Veto-Experiment ergeben würde.

Diese Behauptung ist jedoch irreführend und falsch. Aus dem Vetoexperiment folgt ganz und gar nicht, dass der Wille frei oder auch nur „freier“ sei, als bisher gedacht. Das Experiment untersucht etwas ganz anderes als das, für das es durch John-Dylan Haynes in zahlreichen Interviews der Öffentlichkeit verkauft wird.

Tatsächlich geht es bei dem sogenannten Veto Experiment um die Schnelligkeit und die Grenzen der Informationsverarbeitung, d.h. um das Reaktionsvermögen bei neuen Signalen, die erst in Sekundenbruchteilen vor Ausführung einer beabsichtigen Handlung eintreffen und die im Widerspruch zur ursprünglichen Information und damit im Widerspruch zur ursprünglichen Handlungsintention stehen.

 

Zum Ablauf des Veto-Experiments

Das Experiment wurde in Analogie zu einer Haltesituation vor einer Ampel konzipiert. Auf dem Bildschirm erscheinen abwechselnd grüne und rote Signale. Die Instruktion an die Probanden lautete: “ Drücken Sie, wann immer Sie wollen, es sei denn, das Licht ist rot geworden“ . Drücken die Probanden, deren Hirnströme während des Experiments per EEG ausgelesen werden, bei Grün das Pedal, gewinnen sie einen Punkt, im Versagensfall, sie drücken das Pedal obwohl ein Wechsel auf Rot erfolgte, wird ihnen ein Punkt abgezogen.

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Vom Nutzen der Illusion, einen freien Willen zu haben

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Wenn es den freien Willen nicht gibt, warum ist dann die Vorstellung, über einen solchen zu verfügen, so präsent, so allgegenwärtig und faktisch bei allen Menschen wirksam?

Jedermann erlebt sich in einem fortwährenden Zwiegespräch, das aus einem unendlichen Strom an Gedanken, Abwägungen besteht und unterbrochen wird nur durch Bewusstlosigkeit und Schlaf; aber manchmal gehen die Überlegungen auch noch in den Träumen weiter.

Dieses gedankliche Selbsterleben, das man schon von Kindheit an bei sich wahrnimmt, diese Überzeugung, dass man doch frei sei und sich entweder für das eine und gegen das andere entscheiden könnte, wird umstandslos auf die Mitmenschen übertragen. Warum nun sollte man dieses überzeugende Gefühl,  dass man Urheber seiner  Entscheidungen sei, in Zweifel ziehen? Ich weiß, dass ich frei bin, da ich dauernd so fühle. Und wenn  andere Menschen, die ja wie ich sind,  etwas Unrechtes tun, gar ein Verbrechen begehen, dann haben sie es getan, weil sie es so wollten, sie hätten sich auch dagegen entscheiden können, denn ich konnte es ja auch.

Nur: Diese Eigenwahrnehmung ist falsch. Man weiß nichts von dem, was im eigenen oder fremden Gehirn im Allgemeinen und bei den konkreten Entscheidungen im Besonderen abgelaufen ist – und das ist auch gut so.

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Markus Gabriel: Kein Determinismus ist wahr

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(bzw.: Determinismus ist das, was ich darunter verstehe)

Markus Gabriel ist der Philosoph, der den Physikern, zeigt wo der begriffliche Hammer hängt:

„Philosophie ( …) ist eine Wissenschaft, in der es um bestimmte Begriffe geht auf eine bestimmte Weise. Die Physik verzettelt sich wie alle anderen Wissenschaften auch häufig in begrifflicher Verwirrung. In dem Fall kommt der Philosoph und weist darauf hin, was die begrifflichen Verwirrungen sind.“

Gabriel weiß, was vom Determinismus zu halten ist: 

„Erstens ist kein Determinismus wahr und zwar bin ich jemand, der glaubt, dass auch im Falle, wenn alles durchgängig bestimmt wäre, die Freiheit nicht bedroht wäre.“

Gabriel erklärt also, dass er es für bedeutungslos hält,  wenn alles deterministisch abläuft – Freiheit soll es trotzdem geben.

Seinen Satz beginnt er mit „Kein Determinismus ist wahr“, um dann begründungslos, zum Gegenteil seiner ersten Aussage zu springen und zu postulieren: Selbst wenn der Determinismus wahr wäre, die Freiheit bliebe trotzdem.

Die Freiheit muss also gerettet werden, um jeden Preis, mit oder ohne Determinismus. (mehr …)

Die einzige Frage

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Von was handelt die Willensfreiheit?

Es geht um eine einzige Frage:

Hätte eine bestimmte Person P zu einem bestimmten Zeitpunkt t auch anders handeln können, als sie gehandelt hat?

Wer die Frage verneint, verneint die Möglichkeit des freien Willens.

Wer die Frage bejaht, bejaht die Möglichkeit der Willensfreiheit.

Das ist alles. Die Definition dessen, von was die Willensfreiheit handelt, lässt sich auf diese eine Frage reduzieren.  Die Antwort lautet entweder Ja oder Nein, so, wie die Frage, ob die Erde sich um die Sonne dreht, der Mensch mit den Affen einen gemeinsamen Vorfahren teilt oder ob Wasser aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom besteht, ebenfalls mit Ja oder Nein beantwortet werden kann.

Viele Philosophen und auch manche Psychologen versuchen nun, mit Ausweichmanövern diese Fragestellung zu umgehen und sich dadurch einer konkreten Stellungnahme zu entziehen.  Sie eröffnen Nebenschauplätze, indem sie von den „eigentlich interessanten Fragen“ fabulieren, (T. Metzinger),  oder behaupten,  es existiere Unvereinbares gleichzeitig, (der Wille sei sowohl determiniert als auch frei, (J. Kuhl)  oder sie  beschäftigen sich mit individuellen Fähigkeiten zur Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle. ( J.Bauer).

Alle diese Themenbereiche berühren lediglich Unterkategorien von Fragestellungen, die zwar in Teilaspekten das menschliche Handeln, Denken und Fühlen betreffen,  sie beziehen sich aber nicht auf die übergeordnete und entscheidende Frage des Anderskönnens,  die einzig eine Klärung der Frage nach der Existenz der Willensfreiheit erlaubt.

 

 

 

 

„Free will is dead, let’s bury it“

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Sabine Hossenfelder: 

I wish people would  stop insisting they have free will. It’s terribly annoying. Insisting that free will exists is bad science, like insisting that horoscopes tell you something about the future – it’s not compatible with our knowledge about nature.

According to our best present understanding of the fundamental laws of nature, everything that happens in our universe is due to only four different forces: gravity, electromagnetism, and the strong and weak nuclear force. These forces have been extremely well studied, and they don’t leave any room for free will. (mehr …)

„Schuldparadoxon“ ? – hier irrt Gerhard Roth

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„Solchen Tätern wird von Gerichten meist eine „besondere Schwere der Schuld“ bescheinigt. Aus der Perspektive der Hirnforschung ergibt sich hingegen ein „Schuldparadoxon“: Je verabscheuungswürdiger im Sinne des traditionellen Strafrechts, desto klarer die neurologisch-psychische Bedingtheit des Täters und der Tat.“ Gerhard Roth: Ohne Schuld keine Sühne

Mit der Annahme eines „Schuldparadoxons“ beweist Roth, dass er das von ihm selbst vertretene Konzept – ‚Willensfreiheit gibt es nicht ‚– mitunter aus dem Blick verliert bzw. unbewusst weiterhin von der Intuition eines freien Willens geprägt ist.
Denn es spielt überhaupt keine Rolle, ob „besonders abscheuliche Delikte“ mehr oder ob sie weniger mit angeborenen bzw. früh erworbenen neuralen Schädigungen zusammenhängen.
Mit dem Wegfall der Willensfreiheit kann es weder „mildernde“ noch „schulderschwerende“ Umstände geben, denn wo NICHTS – i.e. Schuld – existiert, kann auch nichts mehr gemindert oder erschwert werden.

Wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt t0 niemand in der Lage ist, eine kausal von dieser Situation unabhängige Entscheidung t>t0 zu fällen, (vgl. B. Kanitscheider), dann ist das Konzept der mildernden Umstände obsolet geworden; denn ob das Handeln zu einem überwiegenden Teil auf Umwelteinflüssen oder überwiegend auf genetischen Ursachen beruht, ist unerheblich in Bezug auf die Determiniertheit des Handelns: Der gemeine Ladendieb ist genauso unschuldig wie der brutale Mörder, denn sowohl ersterer als auch letzterer konnten zum Zeitpunkt der Tatausführung nicht anders handeln, als sie gehandelt haben.
Die Determiniertheit der verschiedenen Deliktbegehungen als Ergebnis neuronaler Aktivität, welche auf kausal wirksamen physikalisch-chemischen Gesetzen beruht, folgt somit demselben physikalischen Prinzip und richtet sich in keiner Weise nach der Schwere der kriminellen Tat.

Blogbeitrag unter Willensfreiheit, Schuld und Strafe, Spektrum.de

Wenn es keinen Freien Willen gibt – was bleibt dann von der Moral

 

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bzw. der moralischen Empörung?

Angenommen, das Gefühl der Empörung ließe sich auf einer Skala von 1 (niedrig) bis 10 (sehr hoch) bewerten, dann kann man davon ausgehen, dass ein Wissen in der Bevölkerung um das Fehlen eines freien Willens dazu führen könnte, dass die durchschnittlich gemessenen Werte auf der Empörungsskala von 10 auf 7 oder noch tiefer sinken würden. (mehr …)